Dieser Artikel wurde von der tschechischen Bürgerzeitung “Občasník pro 21 obcí a osad Stropnicka” übersetzt.
Im September 2024 verschwanden über zehn Millionen CZK von den Konten der Gemeinde Horní Stropnice. Die Bürgerzeitung “Občasník pro 21 obcí a osad Stropnicka – Zeitschrift für 21 Gemeinden und Siedlungen um Stropnice” verfolgt die Entwicklung des Falles und die Bemühungen des Gemeinderates die Situation Schritt für Schritt zu lösen.
12. und 13. September 2024
Von drei verschiedenen Konten der Gemeinde Horní Stropnice wurden über 10 Millionen CZK (rund 400.000€) abgebucht.
16. September 2024
„Sehr geehrte Gemeinderäte, ich muss Sie über ein sehr ernstes Problem informieren, das uns betrifft…“ Am Nachmittag teilt der Bürgermeister der Gemeinde Horní Stropnice den Vertretern des Gemeinderates mit, dass in der Vorwoche „ein unbekannter Täter den größten Teil unserer finanziellen Mittel erbeutet hat”. Darüber hinaus wurde der Termin für die nächste Gemeinderatsssitzung auf den 23. Oktober 2024 verschoben. Der Bürgermeister erklärte weiters: „Die Polizei konnte zu diesem Zeitpunkt keine Fahrlässigkeit seitens der Mitarbeiter des Gemeindeamtes feststellen.“
17. September 2024
Auf Fragen der Gemeinderäte fügt der Bürgermeister hinzu, dass zwei der fünf Girokonten der Gemeinde und das Konto des Sozialfonds, alle drei bei der Komerční banka (KB), angegriffen und 10.137.195 CZK (Umrechnungswert an diesem Tag 402.900 EUR) gestohlen wurden. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass es drei Zugriffsberechtigte auf den betroffenen Konten gab – den Bürgermeister und zwei Buchhalter der Gemeinde – und dass es je nur eine Karte für die Konten für den Bürgermeister der Gemeinde gab und die Konten einen einzigen Auftraggeber haben, der ohne Einschränkungen Entscheidungen treffen kann, wiederum den Bürgermeister der Gemeinde. Er gibt außerdem bekannt, dass er die Situation am Vortag mit den Gemeindevorstandsmitgliedern* besprochen hat. (Das Protokoll dieser Sitzung wurde nicht veröffentlicht).
19. September 2024
Auf die weiteren Fragen zur Vorgangsweise bei Abhebungen, zur Erlaubnis zum Lastschrifteinzug, zu festgelegten Limits, zu eventuellen Beschwerden über Transaktionen am Tag bzw. an den Tagen der Abhebung oder zu konkreten Präventionsmaßnahmen seitens der Gemeindeführung hat noch niemand von der Gemeindeleitung eine genaue Antwort gegeben, teilweise aufgrund laufender Strafverfahren. Am selben Tag tagte der Gemeindevorstand und schlug vor, 10.000.000 CZK abzuschreiben und gleichzeitig ein Kaufangebot von 5.520.000 CZK für 16 Hektar Gemeindegründe anzunehmen. Man ging davon aus, dass der Gemeinderat in seiner Sitzung dem Verkauf an einen einzigen Interessenten zustimmen wird. Der Gemeindevorstand schlug außerdem einen Grundstückstausch mit der Firma Sohors s.r.o. vor, der in der folgenden Sitzung mit dem gesamten Gemeinderat besprochen werden sollte. Nach vorläufigen unabhängigen Berechnungen würde die Gemeinde durch diesen Tausch fast zwei Millionen Kronen an Flächenwert verlieren.
Die Gemeindeflächen, die rasch verkauft werden sollten
(von rechts neben dem Freibad kommt die Straße aus Moorbad Harbach)
Quelle: “Občasník pro 21 obcí a osad Stropnicka – Zeitschrift für 21 Gemeinden und Siedlungen um Stropnice”
25. September 2024
Der Bürgermeister beruft eine dringliche öffentliche Sitzung des Gemeinderates für den Mittwoch, den 9. Oktober 2024 ein.
27. September 2024
In den Unterlagen für die Gemeinderatssitzung werden vier Möglichkeiten zur Lösung der finanziellen Situation der Gemeinde vorgestellt:
- Verhandlung eines Investitionsdarlehens in Höhe von 10.000.000 CZK;
- Verkauf von 30 ha landwirtschaftlicher Fläche – Gewinnerwartung von 10.500.000 CZK;
- Verkauf von 20 ha landwirtschaftlicher Fläche – Übernahme eines Gewinns in Höhe von 7.000.000 CZK zuzüglich der Verhandlung eines Investitionsdarlehens in Höhe von 3.000.000 CZK;
- Verkauf von 15 ha landwirtschaftlicher Fläche – erwarteter Gewinn von 5.250.000 CZK plus Verhandlung eines Investitionsdarlehens in Höhe von 5.000.000 CZK.
Darüber hinaus bietet das Material Einblick in die aktuellen und erwarteten kommunalen Mittel, Einnahmen und Verbindlichkeiten. Später stellt sich in der Gemeinderatssitzung heraus, dass die Daten nicht vollständig waren und die Möglichkeit einer Kreditlösung weder die geforderten spezifischen Konditionen aufweist noch bei mehr als zwei Bankinstituten beantragt wurde.
1. Oktober 2024
Auf weitere Fragen der Gemeindevertreter nach:
- vorbeugenden Maßnahmen der Gemeindeverwaltung,
- Form und Frist eines möglichen Widerrufs,
- Informationen über die angegriffenen Konten, z. B. ob eine Einzugsermächtigung erteilt wurde, Limits für Bewegungen auf dem Konto, Mehrfachautorisierung von Zahlungen sowie
- ob eine Beschwerde bei der Komerční banka eingereicht wurde
antwortete der Bürgermeister, dass „der gesamte Fall von der Regionaldirektion der Polizei der Region Südböhmen, der Abteilung für Wirtschaftskriminalität“ bearbeitet wird und dass „ein Strafverfahren läuft, weswegen ich bis zum Ende der Ermittlungen keine Auskunft geben kann.“
7. Oktober 2024
Für die sechs Grundstücke mit einer Fläche von 16 ha, die ursprünglich zum Verkauf an einen einzelnen Interessenten gedacht waren, wurden von weiteren sieben Personen Angebote eingereicht. Der Tagesordnungspunkt soll daher in einen Bieterwettbewerb umgewandelt werden, in dem die Angebote „in einem verschlossenen Umschlag“ an die Gemeinde-Geschäftsstelle übermittelt werden sollen.
9. Oktober 2024
Am Morgen finden die Bewohner von Horní Stropnice und den anderen Ortsteilen Protestplakate mit dem Wortlaut „NICHT VERKAUFEN – NICHT TAUSCHEN“ auf Werbeflächen, Bushaltestellen und Anschlagtafeln.
Die Sitzung des Gemeinderates am 9. Oktober 2024 wird abgebrochen
An der Sitzung des Gemeinderats nehmen 14 Gemeindevertreter und 45 Bürger teil. Der Bürgermeister der Gemeinde sagte, dass die Gemeinde-Haushaltsverwalterin, Frau Staňková, den Abfluss der Gelder entdeckt habe. Er fasste weiter zusammen, dass die Gemeinde am 16. September, also nach dem Diebstahl, 4.421.920 CZK auf ihren Konten hatte, die erwarteten Gesamteinnahmen 13.465.800 CZK betragen und dass sich die Verbindlichkeiten der Gemeinde am Ende des Jahres 2024 auf 15.684.499 CZK belaufen, davon:
- 9.934.499 CZK für die Fertigstellung der Feuerwache,
- 4.500.000 CZK für Mitarbeiterlöhne,
- 950.000 CZK für die Ausstattung der Zahnarztpraxis
- 300.000 CZK für den Austausch von Fenstern und Türen in städtischen Wohnungen.
Der Vorsitzende des Finanzausschusses bestätigte, dass er die Unterlagen mit der Hauptbuchhalterin Frau Tomášková besprochen habe und tatsächlich zu dem Schluss gekommen sei, dass die Gemeinde nicht über genügend Mittel verfüge, um ihre Verpflichtungen bis zum Jahresende zu erfüllen. Nach dem Einwand der Gemeinderätin Raabová, dass nach diesen Angaben der Kontostand der Gemeinde Ende 2024 etwa zwei Millionen betragen werde, zuzüglich der erwarteten Einnahmen aus Mieten und dem Verkauf von Brennholz, fügte der Bürgermeister hinzu, dass weitere sieben Millionen Kronen benötigt werden, um den Betrieb der Gemeinde sicherzustellen. Darauf folgte der Vorbehalt, dass bei solch unvollständigen Daten die Entscheidung über den Grundstücksverkauf voreilig sei und die vollständigen Zahlungsströme der Gemeinde zunächst dem Gemeinderat vorgelegt werden müssten. Während der Diskussion des Tagesordnungspunktes 5 unterbrach der Bürgermeister die Gemeinderatssitzung, ohne über den Grundstücksverkauf im Punkt 6 zu entscheiden. Zum beabsichtigten Grundstückstausch erklärte der Bürgermeister, dass auch über diesen in dieser Sitzung nicht beraten wird.
14. Oktober 2024
Der Bürgermeister forderte die Fortsetzung der öffentlichen Sitzung des Gemeinderates am 23. Oktober 2024 um 17:30 Uhr, erneut in der Bibliothek in Horní Stropnice.
16. Oktober 2024
Die Gemeindeverwaltung hat den Gemeinderäten eine Übersicht über die voraussichtlichen Einnahmen und Verpflichtungen von Mitte Oktober 2024 bis Anfang 2025 zugesandt und eine Arbeitssitzung der Vertreter für Montag, den 21. Oktober 2024, einberufen.
Laut dieser Übersicht betragen die Einnahmen bis Ende 2024 11.113.647 CZK, bis Ende Februar 2025 werden weitere 8.858.600 CZK eingenommen. Inklusive des aktuellen Saldos vom 14. Oktober 2024 in Höhe von 6.716.708 CZK betragen die Finanzmittel der Gemeinde gesamt 26.688.955 CZK.
Laut der vorgelegten Übersicht rechnet die Gemeinde bis zum Jahresende mit Ausgaben in Höhe von 20.286.666 CZK, dann im Januar und Februar 2025 mit weiteren 5.939.332 CZK, einschließlich der Ausgaben für ein neues Kommunalfahrzeug in Höhe von 1.000.000 CZK. (Die Gemeinde erhält einen Zuschuss von 1.300.000 CZK zum Kaufpreis von 2.300.000 CZK von MAS Růže, dem Verein der Kleinregion Rose.) Insgesamt belaufen sich die Ausgaben der Gemeinde bis Ende Februar laut der vorgelegten Übersicht auf 26.225.998 CZK.
23. Oktober 2024
Fortsetzung der Gemeinderatssitzung und weitere Diskussionen zur Lösung der finanziellen Situation des Dorfes. Der Gemeinderat stimmte mit allen seinen 15 Stimmen dem Abschluss eines Darlehensvertrags über 3 Mio. CZK mit Sdružení Růže (Kleinregionsverein Rose) zu.
In der Diskussion wurden unter anderem die Vorlage von Aufzeichnungen über Revisionen und Sicherheitsüberprüfungen des kommunalen Computernetzwerks gefordert. Der Bürgermeister antwortete, dass die Gemeinde seit vielen Jahren mit dem Netzwerkadministrator Herrn Trkola zusammenarbeite und die geschäftsführende Gemeinderätin Valentová versicherte, dass die Rechnungen ordnungsgemäß bezahlt wurden. Der Bürgermeister selbst hat keine Informationen zur Internetsicherheitsmaßnahmen der Gemeinde, aber die Gemeindeführung sagte zu, dass es möglich sein würde, Herrn Trkola bei der nächsten Gemeinderatssitzung zu treffen, bei der er Fragen öffentlich beantworten werde. Während der Sitzung gab es mehrere Rufe aus dem Publikum, sich für den verursachten Schaden zu entschuldigen und die politische Verantwortung dafür zu übernehmen, was bisher jedoch keine Beachtung fand.
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Zum Redaktionsschluss der Zeitschrift “Občasník pro 21 obcí a osad Stropnicka – Zeitschrift für 21 Gemeinden und Siedlungen um Stropnice” war die Causa noch Gegenstand einer Untersuchung durch die Abteilung für Wirtschaftskriminalität der Polizei der Region Südböhmen. Beteiligte an einem Strafverfahren, darunter auch das belastete Bankinstitut, unterliegen der Schweigepflicht. Wir müssen also noch auf die Lösung des Falles warten, d. h. auf die Bekanntgabe, wie ein Fünftel des Gemeindebudgets von den Gemeindekonten bei der Komerční banka verloren gegangen ist, ob und wann das Geld zurückerstattet wird, oder wer für den Verlust die Verantwortung trägt.
Hier die Ausgabe November und Dezember 2024 vom Občasník
* Der Gemeindevorstand besteht in Österrreich aus dem Bürgermeister, dem Vizebürgermeister und den geschäftsführenden Gemeinderäten. Das entspricht auf Ebene der Gemeinde im Grundprinzip dem Bundeskanzler, Vizekanzler und den Ministern im Gesamtstaat. Eine ähnliche Struktur gibt es auch in den tschechischen Gemeinden.
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