Der Unbeugsame
Manfred Nowak fand das Jusstudium langweilig. Er wollte lieber Filme machen. Warum er nach kurzer Zeit an der Filmakademie das Handtuch geworfen hat, will er nicht erzählen. Er wischt die Erinnerung daran mit einer kurzen Bemerkung vom Tisch und macht Platz frei für das Thema das ihn seit mehr als drei Jahrzehnten begleitet: Menschenrechte. Sechs Jahre lang reiste Manfred Novak an Orte dieser Welt, an denen sich die dunkelsten Seiten der Menschen manifestieren.
Als UN Sonderberichterstatter über Folter dokumentierte er die Verhältnisse in berüchtigten Polizeigefängnissen, Folterkellern und Verhörräumen. Viele seiner Eindrücke und Erkenntnisse hat der Menschenrechtsexperte in seinem neu erschienen Buch “Folter – Die Alltäglichkeit des Unfassbaren” niedergeschrieben. Ein bedrückendes Bild menschlicher Grausamkeit; das es lohnt, sich anzuschauen und daraus zu lernen.
FM4
In 90% aller Länder wird gefoltert. In 90%!
Also nahezu überall auf der Welt.
Eine Ausnahme ist Dänemark.
“Überall, wo eine Auge-um-Auge-Mentalität herrscht, gibt es auch Verletzungen gegen Menschenrechte”, kommentiert Nowak. Der Umgang einer Gesellschaft mit StraftäterInnen sei ein direkter Indikator, in wie weit sich die jeweilige Polizei Übergriffe erlaube oder nicht. In Dänemark sind Menschen nicht in Haft, um sie zu bestrafen, sondern um sie zu resozialisieren. Ich höre bereits den österreichischen Volksmund geifern: „Wir zahlen denen doch kan Urlaub im Häfn! Die sollen gefälligst büßen!“ Eh. Und dann? Raus aus dem Knast und rein ins nächste Kriminal. Kurzsichtiges Denken mag Rachegelüste befriedigen, aber der dänische Weg liefert die positiven Zahlen: Geringere Rückfallsquote, keine überfüllten Gefängnisse, keine Folter.
Folter – Ein Kavaliersdelikt?
Wussten Sie, dass man in Österreich gar nicht wegen Folter angeklagt werden kann? Dieses Delikt ist in unserem Strafgesetzbuch bisher nicht vorgesehen. Wenn also PolizistInnen einen Schubhäftling quälen, ihn bewusst mit dem Auto anfahren und verletzen und ihn dann – weil‘s so ein Spaß ist – mit dem Tod bedrohen, können sie nicht wegen Folter angeklagt werden. So geschehen 2006 im Fall des Bakary Jassey. Nowak fasst in seinem Buch diesen skandalösen Fall nochmal zusammen; auch um uns bewusst zu machen, dass Folter und Menschenrechtsverletzungen nicht nur in Diktaturen und Kriegsgebieten vorkommen, sondern hauptabendtauglich sind.
Im ARD-Fernsehfilm um 20:15 Uhr gehen dem sympathischen Kommissar die Nerven durch. Während eines Verhörs greift er dem Verdächtigen brutal in dessen frisch verbundene Wunde. Der Mann schreit vor Schmerz. Medienmenschen, DrehbuchautorInnen, FilmemacherInnen sollten sich bewusst sein, dass sie mit solchen Szenen Menschenrechtsverletzungen gesellschaftsfähig machen.
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