Rudi Fußi wurde für Aussagen in sozialen Netzwerken von Innenminister Nehammer mit einer Klagsdrohung bedacht, was von führenden Experten wie Verfassungsrechtler Professor Heinz Mayer mit Sorge betrachtet wird.

Hier das Antwortinterview von Rudi Fußi auf den „bedenklichen Einschüchterungsversuch“ von Innenminister Nehammer in der ZIB-Nacht.

https://tvthek.orf.at/profile/ZIB-Nacht/13890328/ZIB-Nacht/14082434/Polit-Aktivist-Rudi-Fussi-zur-Klagsdrohung-des-BMI/14862061

 

Lara Hagen, Der Standard,

„Einschüchterungsversuch“: Kritik an Klagsdrohung gegen Aktivisten auf Innenministerium-Website. Seit Tagen prüft das Innenministerium wegen eines Tweets medienwirksam rechtliche Schritte gegen Rudolf Fußi, 

Etwa 30 Stunden lang war Sendepause, und die Website des Innenministeriums war nicht erreichbar. Ein Hardware-Defekt sei der Grund dafür gewesen, sagt Innenministeriumssprecher Patrick Maierhofer. Meldestellen, Kontaktmöglichkeiten für Bürger und andere wichtige Services seien nicht betroffen gewesen. Um die Inhalte auf der Website nicht zu verlieren, schalte sie sich in so einem Fall automatisch ab, so Maierhofer.

Und diese Inhalte haben es in sich, denn ruft man die Seite Donnerstagfrüh auf, wird man von folgender Nachricht begrüßt: „Innenministerium prüft rechtliche Schritte gegen Rudolf Fußi“. Flankiert wird diese Ankündigung von einem lächelnden Innenminister Karl Nehammer (ÖVP).

Tweet als Auslöser

Der Hintergrund: Der PR-Berater Fußi hatte in einem Tweet das Vorgehen der Polizei bei den Demonstrationen der Corona-Gegner in Wien sowie bei der Abschiebung von Kindern und Jugendlichen vor zwei Wochen scharf kritisiert – Polizeihunde seien intelligenter als der Durchschnittsmitarbeiter der Landespolizeidirektion Wien, schreib er unter anderem. Der Tweet ist mittlerweile gelöscht, was nichts daran ändert, dass das Innenministerium seit fünf Tagen rechtliche Schritte gegen Fußi prüft.

„Sogenannte Polit-Aktivisten, die die Arbeit der Polizistinnen und Polizisten diskreditieren und diese darüber hinaus noch beleidigen, dürfen nicht unkommentiert bleiben“, wird Nehammer auf der BMI-Website zitiert. Ein derartiges Verhalten sei genauso gefährlich für das demokratische Zusammenleben wie das Verbreiten von Verschwörungstheorien oder extremistische Ansichten, sagt der Innenminister in dem Artikel außerdem.

Für die Medienrechtsanwältin Maria Windhager – sie vertritt auch den STANDARD – ist die Sache klar: „Ich sehe keine Ansatzpunkte.“ Um welche Tatbestände könnte es gehen? Klassischerweise würde man an üble Nachrede oder Beleidigung denken, meint Windhager. Das könne aber nur von einer konkret betroffenen natürlichen Person geltend gemacht werden. Auch die Amtsbeleidigung sieht sie in diesem Fall nicht gegeben. „Zentral ist in diesen Fragen die konkrete Beziehbarkeit. Und bei einem so großen Kollektiv (der Landespolizeidirektion Wien, Anm.) geht sich das nicht aus.“ Auch Ehrenkränkungsdelikte im Verwaltungsrecht seien denkbar, „aber auch die setzen eine konkrete Beziehbarkeit voraus“.

Juristen und Politiker sehen Einschüchterungsversuch

Die Aussendung löse „große Irritation“ bei der Medienrechtsexpertin aus. Nicht nur weil sie keine straf- oder verwaltungsrechtliche Relevanz von Fußis Aussagen erkennt. „Seine Äußerungen werden gleichgesetzt mit Verschwörungstheorien und extremistischen Ansichten. Das ist eine ungeheuerliche Fehleinschätzung.“ Windhager findet es in Ordnung, wenn sich der Innenminister hinter seine Beamten stellt. „Aber diese Reaktion halte ich für äußerst problematisch. Das ist ein ganz klarer politischer Einschüchterungsversuch.“

Ganz ähnlich kommentiert das die Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper auf Twitter. Sie spricht von einer Einschüchterung von Bürgern. Auch die SPÖ-Abgeordnete Selma Yildirim hält die Vorgänge für „unfassbar“. Der Bürgermeister von Trumau und SPÖ-Nationalratsabgeordnete Andreas Kollross übt ebenfalls scharfe Kritik, die grüne Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic zog einen Vergleich zur Türkei.

Von einem „Einschüchterungsversuch“ spricht auch der Verfassungsjurist Heinz Mayer. Anders sei nicht zu erklären, wieso das Innenministerium bereits seit fünf Tagen rechtliche Schritte prüfe.

Wie Selbstzensur entsteht

Windhager nennt in dem Zusammenhang den Artikel 10 der Menschenrechtskonvention zur Meinungsäußerungsfreiheit. Dort sei explizit festgehalten, dass Aussagen auch beleidigen, schockieren oder stören können. Lasse man derartige Kritik nicht zu, komme es zu sogenannten „chilling effects“: Menschen beginnen sich aus Angst selbst zu zensurieren.

Hier sieht auch Fußi selbst die große Gefahr: „Ich kann mich wehren. Aber hier geht es ja nicht um mich.“ Einerseits sieht er das Vorgehen als Signal an die Polizisten, andererseits seien die Vorgänge ein „Ausdruck höchster Nervosität“, dazu würden auch die Klagen gegen Blümel-Kritiker auf Social Media passen, so Fußi. „Das alles ist schon eine neue Qualität, gegen Bürger vorzugehen.“

BMI sieht „Hass im Netz“

Am Donnerstagmittag reagierte das Innenministerium auf die zahlreiche Kritik. Soziale Medien seien „kein rechtsfreier Raum“, wird auf Twitter und auch von Sprecher Maierhofer betont. Der Sachverhalt sei mittlerweile „unterwegs in Richtung Staatsanwaltschaft.“ Weil es sich um ein so genanntes Ermächtigungsdelikt handle und die betroffene Behörde zunächst zustimmen musste, habe es etwas gedauert. Die Staatsanwaltschaft prüfe dann ob eine Übertretung passiert ist, dabei gehe es laut Maierhofer um Beleidigung oder üble Nachrede. „Gegen Hass im Netz muss man vorgehen, egal von welcher Seite er kommt.“

Dass der Konflikt prominent auf der BMI-Startseite zu finden ist, sei hingegen ein Missverständnis gewesen, stellt der Sprecher klar. Wegen des Hardwaredefekts wurden auf der Website heute die Inhalte von Stand Sonntag dargestellt. Es habe sich also um eine alte Version und um keine Provokation gehandelt. Aussendungen würden immer automatisch auf der Website aufscheinen, so auch diese, die am Sonntag online ging.

6 Gedanken zu „Fußi: „Ich lasse mich nicht einschüchtern!““
    1. Und das mir, einem Kämpfer für Dativ und Akkusativ! Mach mich selbst immer liebevoll lustig über Leute die das verhauen. Diese Schande gehört mir jetzt aber auch:-) Obwohl ich hoffe, dass man mir einen Tippfehler abnimmt:-) Muss lachen. Danke fürs verbessern! Jetzt glauben dann wenigstens die, die den Artikel zukünftig lesen, nicht, dass ich ein Legastheniker bin:-)

  1. Hallo!
    Durch meine langjährige beruflichen Tätigkeiten in Europas Osten kommt mir das namentlich „an den Pranger stellen“ Einzelner durch den Staat (mittels Homepage des BM für Inneres) sehr bekannt vor!
    Analogien dazu gibt es in Polen, Ungarn und ganz aktuell in Russland („Nawalny“).
    Wehret den Anfängen!

  2. Rekord! Zwei Fehler in der Überschrift! – ‚ich‘ kleingeschrieben, und am Ende kein Punkt oder Rufzeichen. Somit habe ich gar nicht weitergelesen!

    1. Muss lachen, ja das kommt vom schlampigen „Copy und Paste“-Journalismus… Habe die Überschrift vom ORF gestohlen… Die haben mittlerweile aber schon das kleine „ich“ weggenommen, das Satzzeichen am Ende sparen sie sich aber bis jetzt:-). Da wollen wir mal Vorbild sein:-)

      Nur eine kleine Belehrung muss ich mir aber auch erlauben, es ist schon auch wichtig die Artikel zu lesen, um über den INHALT nachzudenken:-):-) Nicht nur über die Form:-):-)

      Der Artikel stammt vom Standard und wir zitieren ihn hier nur fast vollumfänglich. Es ist problematisch, politische Widersacher derart zu bedrohen. Und das ist auch wiederum völlig unabhängig davon, wie sarkastisch Rudi in der Sache geschrieben hat. Mit diesen Aussagen kann ich auch nichts anfangen, aber sie mit der Macht des Ministeriums unterdrücken zu wollen, ist eindeutiger Machtmissbrauch. So wie das Tafelwegräumen im Menschenrechtsgarten auch ein Machtmissbrauch ist. Andere Meinungen sind zuzulassen, zu ertragen und wenn man kann, klug zu beantworten. Das ist so. Wenn sie beleidigend sind, dann kann man gern deren Rücknahme fordern oder sogar privatrechtlich klagen, aber mit geliehener Macht des Volkes gegen die Bürger vorzugehen ist ein schlechter Witz.

      UN-Folterbeauftragter Professor Nowak, Nationalratabgeordnete Krisper und die anderen Unterzeichner eines offenen Briefes an unsere Bürgermeisterin, warten übrigens nach zwei Monaten noch immer auf eine Antwort unserer Bürgermeisterin, wie sie vorzugehen gedenkt, nachdem sie ja Professor Nowaks Worte in unserer Gemeinde „nicht tolerieren“ will. Das ist so ein häßliches Muster, das wir jetzt in Österreich überall sehen. Das ist sehr bedenklich.

      Drohung und Machtmissbrauch statt Dialog. Kein schönes Österreich.

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